Porträt Sikander von Bhicknapahari
9.12.2024
Das Leben kann für ihn gar nicht vielfältig genug sein. Diesen Eindruck gewinnt, wer mit Sikander von Bhicknapahari ins Gespräch kommt. Die klassischen Grenzen zwischen Arbeits- und Privatleben fliessen bei ihm ineinander. Er lebt seine Begeisterung in seinen vielfältigen beruflichen Tätigkeiten als Unternehmer, freiberuflicher Berater, Dozent und Fachautor aus. Daneben begleitet und unterstützt er als Assistent aber auch seine Frau, die sich als Künstlerin international einen Namen gemacht hat. In der Treuhandbranche kennt und schätzt man ihn nicht zuletzt als Mitautor des Praxiskommentars Rechnungslegung nach Obligationenrecht.
Wie hat ihre Treuhandkarriere begonnen?
Ich konnte mit 18 Jahren das KV abschliessen und habe mich schon damals sehr für Buchhaltung begeistert. Mit 23 Jahren habe ich dann die Prüfung als Experte in Rechnungslegung und Controlling bestanden, man brauchte damals nur fünf Jahre Berufserfahrung. Die typische Tätigkeit in einem klassischen Treuhandbüro währte bei mir nur kurz. Stattdessen arbeitete ich in einem Unternehmen, das eine grosse Zahl von unterschiedlichen Betrieben unter einem Dach vereinte. Das reichte vom Bratwurststand beim Zürcher Hauptbahnhof über einen Bauernhof, der glückliche Kälber für die eigenen Gastrobetriebe grosszog, bis zum Luxushotel in Saudi-Arabien. In diesem vielfältigen Konglomerat war ich gewissermassen das interne Treuhandbüro mit entsprechend unterschiedlichen Aufgaben. Mich faszinierte daran, dass ich nahe am betriebswirtschaftlichen Geschehen und ein Teil davon war und nicht bloss ein externer Berater. 1982 habe ich mich dann trotzdem in die Selbständigkeit verabschiedet.
Wie kam das?
Ich lernte meine zukünftige Frau kennen, Manon. Als Künstlerin war sie international unterwegs. Nach unserer Heirat folgte ich ihr nach Paris und New York, wo ihr Ateliers zugesprochen wurden. Und seither unterstütze ich sie als Finanzminister und Begleiter, wenn Buchprojekte und Ausstellungen anstehen – was phasenweise sehr arbeitsintensiv ist. Anders gesagt: Eine normale Arbeit an einem fixen Ort funktionierte für mich nicht mehr, und so bin ich seither freiberuflich tätig, beratend oder als trouble shooter, wenn es bei meinen Kunden irgendwo brennt. Dabei lag mein Schwerpunkt bei Gastronomie-, Hotellerie- und Tourismusprojekten in der ganzen Welt. Diese Themen faszinieren mich auch deshalb, weil sie sehr anspruchsvoll sind. Das Überleben ist schwer, der Erfolg fällt nicht vom Himmel. Das spüre ich auch in den Betrieben, die ich mittlerweile selber besitze oder führe bzw. geführt habe.
Und was hat Sie später zum Jus-Studium bewogen?
Ich war vierzig, als ich das in Angriff nahm, und habe 2002 mit dem Master abgeschlossen. Der Auslöser war die zunehmende Tendenz zur Verrechtlichung des Lebens. Das hat sich in den 1990er Jahren akzentuiert und wird seither immer ausgeprägter – notabene sehr zum Leidwesen der Treuhandbranche und ihrer Kleinkunden, die sich bei ihrer Tätigkeit mit immer komplexeren Vorschriften herumschlagen müssen. Dass jemand Rechtsberatung und Rechnungslegung in Kombination anbieten konnte, gab es damals noch nicht oft. Ich persönlich fand diese Kombination schon immer hoch spannend. Heute kommt sie mir auch in der Rolle als Willensvollstrecker zugute, die in meiner Tätigkeit an Bedeutung gewonnen hat.
Die Möglichkeit, rechtliche Themen und Rechnungslegung miteinander verknüpfen zu können, fand ich schon früh hoch interessant.
Inwiefern?
Einige Kunden, die ich lange begleiten durfte, haben mich mit der Willensvollstreckung beauftragt. Das heisst, ich begleite beispielsweise Familienstiftungen und deren Tochtergesellschaften. Das berührt eine grosse Vielfalt an rechtlichen und finanziellen Fragen und ist fachlich eine grosse Herausforderung – etwa im Kontext der internationalen Rechnungslegung. Aber die Verantwortung beschränkt sich nicht aufs Fachliche. Es ist mir auch aus menschlicher Perspektive ein Herzensanliegen, den Willen der verstorbenen Person so sorgfältig wie möglich in ihrem Sinn umzusetzen.
Sie sind schon lange auch als Dozent aktiv.
Bereits ein Jahr nach meinem Abschluss als Experte für Rechnungslegung und Controlling hatte ich die Möglichkeit, im Prüfungswesen tätig zu sein. Das fand ich sehr interessant. Dann kamen bald die ersten Anfragen von Weiterbildungsinstituten. Seither bin ich oft und gerne als Dozent tätig. Wobei, ehrlich gesagt, nicht alle mit meinem Stil gleich gut klarkommen: Meine Methoden sind gewissermassen «old school». Heute präsentiert man seinen Studierenden ja oft die Aufgabe und den Lösungsweg gleichzeitig. Ich verlange von den Studierenden nach wie vor, dass sie zuerst einmal selber nachdenken, bevor ihnen der Lösungsansatz serviert wird. Ich gebe zu, in der jüngeren Generation tun sich einige damit schwer. Zudem bin ich generell nicht jemand, der seine Aussagen in Watte verpackt. Klartext ist mir lieber. Den konnte man bis 2002 auch im Magazin Salz&Pfeffer lesen, wo ich während einiger (Teil-)Zeit als Redaktor und Herausgeber tätig war. Zuweilen polarisiert das, aber das halte ich gut aus. Abgesehen davon kann das interessante Diskussionen auslösen.
Wo finden Sie neben all Ihrem Schaffen einen Ausgleich?
Fast jeden zweiten Tag bin ich 90 Minuten im Bikram Yoga Studio, auch Hot Yoga genannt. Es werden 26+2 Übungen in einem 40 Grad warmen Raum absolviert. Das ist anstrengend und man ist 90 Minuten lang voll auf sich selber konzentriert, im Kopf hat nichts anderes mehr Platz. Danach liegt man ziemlich fertig und ausgeschwitzt da, aber für mich es ist perfekt zum Abschalten. Und im Übrigen hat sich das als bestes Mittel gegen die Dauerschmerzen erwiesen, die mir jemand bei einem Auffahrunfall im Jahr 1996 beschert hat.