Porträt Cyrill Habegger
14.6.2023
Recht, internationale Steuerberatung und Vorsorge – Cyrill Habeggers beruflicher Erfahrungsschatz ist reichhaltig. Und wenn man bedenkt, dass es nur aufgrund seiner Farbenblindheit soweit gekommen ist … In der Steuerberatung sah er sich lange Jahre mit den oftmals zu idealistischen Vorstellungen von Expatriates zur schweizerischen Steuerlandschaft konfrontiert. In seiner heutigen Funktion wiederum muss er feststellen, dass Herr und Frau Schweizer bezüglich Vorsorge besser informiert sein könnten.
Als Jurist und Steuerexperte können Sie sowohl Paragraphen wie Zahlen. Wie ist es dazu gekommen?
So klischeehaft das tönt, ich wäre gerne Pilot geworden. Aber das klappte aufgrund meiner Farbenblindheit nicht. Mein «Flugvirus» habe ich dann doch ausleben können: Gute sieben Jahre lang als Flight Attendant bei der Swissair und bei der Swiss. Als ich schliesslich doch noch ein Jurastudium abschloss, machte ich mich an der Absolventenmesse kundig, was die Optionen für einen Jus-Absolventen waren, der nicht Anwalt werden möchte. So kam ich zur Steuerberatung – und blieb dort hängen.
Sie haben bei der BDO in Zug die Steuerabteilung geleitet. War das die Phase, in der Sie anfingen, sich mit internationalen Steuerfragen zu beschäftigen?
Meine Ausbildung im Steuerbereich begann einige Jahre früher bei Ernst & Young. Bereits dort durfte ich bei vielen internationalen Mandaten mitwirken. Spätestens als ich in den Fachbereich wechselte, der sich schwergewichtig mit der Betreuung von Expatriates und den grenzüberschreitenden Fragestellungen rund um Steuern und Sozialversicherungen auseinandersetzte, hat sich der Weg Richtung internationale Steuerfragen etwas abgezeichnet.
Mit welchen Vorstellungen der Schweiz und des Schweizer Steuersystems sind die Expatriates auf Sie zugekommen?
Natürlich gab es grosse Unterschiede in dieser Klientel. Einige waren sehr gut vorbereitet auf das Leben in der Schweiz, andere kamen eher etwas blauäugig hierher. Bei vielen Mandaten gab es ein sogenanntes «Arrival Briefing», im Rahmen dieses Erstgesprächs versuchten wir, einiges an Aufklärungsarbeit zu leisten. Oft wurde etwas unterschätzt, wie teuer die Schweiz ist. Viele Expats gingen davon aus, dass sie dank hohen Gehältern und tiefen Steuern in der Schweiz am Ende des Monats viel Geld übrig haben würden. Das hat nicht immer wie gewünscht funktioniert.
Bei aller Kritik muss man fairerweise auch sagen, dass es ein perfektes Steuersystem möglicherweise gar nicht gibt.
Wo sehen Sie Stärken und Schwächen der Schweizer Steuergesetzgebung?
Die Stärke ist sicher der Wettbewerb, zum Beispiel zwischen den Kantonen. Dies zwingt die Politik, die Ausgaben einigermassen zu kontrollieren. Man kann nicht einfach die Steuern erhöhen, um einen gesteigerten Finanzbedarf zu decken. Allerdings gibt es schon Gegenden in der Schweiz, in welchen die Steuersätze, insbesondere für Privatpersonen, recht hoch sind. Bei den Schwächen ist sicher die Komplexität zu nennen. So war die Vermögenssteuer Jahr für Jahr ein Ärgernis für die Kunden. Noch nicht mal wegen der Steuer an sich, sondern wegen des Aufwands, alle relevanten Dokumente aufzutreiben, um das letzte indische Konto und die längst vergessene portugiesische Lebensversicherung korrekt zu deklarieren. Als weitere Schwäche kann man zum Beispiel die Heiratsstrafe erwähnen, die man seit Jahren nicht beseitigt kriegt. Jedoch muss man fairerweise auch sagen, dass es ein perfektes Steuersystem möglicherweise nicht gibt.
Seit 2021 haben Sie mit Ihrem heutigen Job den Fokus auf Vorsorgethemen verlegt. Was reizt Sie daran?
Mir gefällt die Wechselwirkung dieser Themen. Vorsorge hat oft auch mit Steuern zu tun. Liest man die Ratgeber, die jeweils im Februar/März in verschiedenen Medien zu finden sind, wie man denn Steuern sparen könnte, sind 3a-Einzahlungen und BVG-Einkäufe immer vorne mit dabei. Wie mannigfaltig und manchmal überraschend die Regeln und Praxen rund um Themen auf der Schnittstelle Steuern/Vorsorge sind, fasziniert mich immer wieder. Deshalb erstaunt es mich persönlich auch, dass das Thema vielerorts doch eher vernachlässigt wird. Schon als ich zur Schule ging, war unser Vorsorgesystem kein relevantes Thema. Das hat sich scheinbar nicht fundamental geändert. Entsprechend schätzen viele Schweizerinnen und Schweizer die Altersvorsorge als Ganzes und auch ihre eigene Altersvorsorge falsch ein. Immer wieder erleben wir in der Beratung die Situation, dass jemand ziemlich konsterniert ist, wenn er oder sie erfährt, womit sie effektiv im Alter rechnen dürfen. Oder fast noch schlimmer: im Falle einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit. Die guten Nachrichten sind, dass immerhin der Reformbedarf in der ersten und zweiten Säule relativ breit erkannt und anerkannt ist. Dumm nur, dass eine komplette Uneinigkeit besteht, was denn die richtigen Reformen wären.
Wie finden Sie Ihren Ausgleich zum Arbeitsalltag?
Vor allem beim Reisen und Wandern. Rund um Luzern, wo ich zuhause bin, gibt es wunderschöne Routen, vom gemütlichen Felsenweg auf dem Bürgenstock zum doch eher strengen Aufstieg auf den Pilatus von Alpnach aus. Was auch für einen guten Ausgleich sorgt, ist, dass das Thema Steuern für viele Menschen nicht sonderlich spannend ist. Bei der Familie oder im Freundeskreis muss ich kaum je über meinen Job reden. Da ich viel Zeit in diesen Kreisen verbringe, bin ich fast automatisch aus dem Arbeitsalltag raus in diesen Momenten.